Alles zerstört. Die totale Apokalypse. Kein Ort, an den ich könnte. Nur ich bin übrig. Suizid? In Hoffnung schwelgen? Ich schaue mich um und es liegen leblose Körper herum. Die meisten sind
weg.
Ich gehe den Weg entlang zu dem Gelände, an dem gestern noch der Kindergarten war. Es ist Wüste. Dahinter ist ein Gebiet, in dem die Älteren unserer Gesellschaft Platz gefunden hatten. Nichts.
Sie waren die Ersten, die sterben mussten. Ich habe keine Kraft mehr. Ich wurde an meine Grenzen gebracht. Der Überlebenskampf hat mich geschwächt. Warum war es nötig, dass ausgerechnet ich
überlebte? Ich bin die Einzige, die es befürwortet hatte, dass ein paar Generationen vor uns der Versuch angestrebt worden war, neue Welten zu besiedeln. Aber nein: Wir kriegen die
Überbevölkerung in den Griff. Haben wir ja. Wir hatten uns überschätzt. Ein ganzes Volk, das an seiner Arroganz starb. Wir hatten die inneren Kämpfe überwunden. Die gesamte Einwohnerschaft hatte
genug Platz, reichlich Essen. Dann das. Zu träge sind wir geworden. Sportlichkeit und Hirneinsatz wären nötig gewesen, um sich zu retten.
Offenbar sind alle am Kollektivnarzissmus gestorben. Jede hatte sich um sich gekümmert. Eine logische Folge von den Kriegen, die gezeigt hatten, dass es miteinander nicht funktioniert hatte.
Niemand hatte die Zeichen sehen wollen. Sie waren zu beschäftigt gewesen mit ihrem Leben, ihrem kleinkarierten Dasein, das darin bestand recht zu haben; das innere Kind hatten sie befriedigt,
erwachsen sind sie nie geworden. Und ich? Was war ich gewillt dagegen zu tun? Eine Zeit lang einiges. Sogar die Präsidentschaftskanditatur hatte ich in Erwägung gezogen. Als Einzelkämpferin bin
ich zergangen. Zerflossen. Zertreten worden. Wenn sich unser weiblicher Teil nichts zutraut, warum einem femininen Individuum. Zu wenig Kraft hatte ich, um gegen all das zu kämpfen, was die
Blindheit ausgelöst hatte. Woher kam die Stärke zu überleben? Ein Zufall. Ich war gerade an dem Ort, den die Masse für unsicher gehalten hatte. Er hatte mich inspiriert. Der rationale Verstand
hatte mir dabei geholfen zu begreifen, dass es unlogisch sei, sich vor diesem Platz zu fürchten. Hinz und Kunz hatten sich an dem gleichen Orten zusammengerottet, vor allem als es losging. Diese
wurden besonders gründlich entvölkert. Weil weder meine Ausdauer, noch Macht reichte, hatte ich mich auf das beschränkt, was unseren Fortschritt herbeirufen konnte: Wissen. Dieses hatte ich
zunehmend für mich behalten, weil es meinen sozialen Kontakten, Freundschaften geschadet hatte.
Ich schaue umher: Wüste. Es ist das erste Mal im Werdegang, dass ich es verstehe, was es bedeutet depressiv zu sein. Die schwermütigen Bürgerinnen, die ich gekannt hatte, schienen ihren Zustand
entweder zu nützen, um etwas zu erreichen, oder sie waren gelangweilt von ihrer überfüllten Lebensweise.
Wie dem auch sei. Meine Verfassung verschlechtert sich zunehmend. Das massive Nichts lässt mich zurück. Es drückt. Es ist hoffnungslos. Was mache ich hier? Wie kann ich etwas ändern? Was ist
unser Lebensraum ohne Leben?
Ich setze mich auf diesen Hügel und überblicke ein grosses Gebiet. Noch mehr Tote. Ich beginne, sie mir genauer anzusehen. Teilweise haben sie verkrümmte Arme, eigenartig gebogene Finger. Ihre
Haut scheint verätzt zu sein. Eine Art Film hat sich über den ganzen Körper gezogen. Das Gesicht gibt zu denken: Es hat ebenfalls diese geisterhafte Schicht darauf. Es ist ihnen in jede kleinste
Öffnung gelaufen. Erstickt sind sie. Langsam. So bedächtig es geht. Manche konnten ihren Nachwuchs versorgen. Andere, ihn an einen bessern Platz bringen. Orte, die zum Leben gefährlich schienen,
waren plötzlich die einzige Hoffnung. Wenigstens die, der nächsten Generation.
Diesem Gift sind alle zum Opfer gefallen. Nichts bleibt mehr. Rien ne vas plus.
Hier sitze ich. Die letzte Überlebende. Stundenlang starre ich vor mich hin. Es wird dämmrig. Ich schlafe ein. Als ich erwache, kommt wieder diese böse Erinnerung. Die Entspannung hat geholfen.
Ich weiss, was zu tun ist! Ich werde durchkommen. Es gibt Nahrung, Deckung. Ich werde eine neue Kolonie gründen. Die erste Generation wird aus mir hervorgehen. Ich werde sie mit einer Art Kult
infiltrieren, der ihnen lehrt, mehr Welten zu erobern, um die eigene Gattung retten zu können. Es ist nicht beherrschbar. Zu mächtig sind diese Kräfte, zu undurchsichtig, zu gross für uns. Das
für uns tödliche Neemöl ist an mir vorbeigeflossen.
Zum Glück hat eine weibliche Bewohnerin überlebt. Ich werde unsere Spezies retten! Ich starte: Ich suche einen sicheren Platz und lege die Eier an das äusserste Ende eines Haares.
Es lebe das Volk der Kopfläuse!
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