Teufel, was ist mit mir los! Wo bin ich? Der Schädel ist dumpf. Was ist geschehen? Die Glieder schmerzen, der Rücken ist verspannt, mein Genick ebenfalls. Ich versuche, mich zu bewegen, aber es
passiert nichts. Doch es funktioniert. Im Schneckentempo. Aus der Horizontalen komme ich empor. Tot und Satan, ich erinnere mich an gar nix. Langsam. Ringsum sind erst mal nur Steinwände. Ich
liege in einer Schachtel? Es ist frisch, aber es friert nicht. Oben ist eine Decke. Bunt. Hoch ist der Raum. Es kommt gedämpftes Licht von der Seite herein. Alles ist hart um meinen Körper. Das
Gefühl nicht zu wissen, wo ich herkomme, oder was davor passiert ist, erfüllt mich mit Angst. Die Nervenzellen der Nase transportieren „Weihrauch“ in die Hirnwindungen. Jetzt wird die Stille
durchbrochen. Ein Raunen strömt in ein paar Meter Entfernung durch den Raum. Viele Menschen im Gleichklang. Sie beten. Jawohl! Ich bin in einer Kirche. Das passt. Uff. Schon wird alles klarer:
Genau! Die Deckenbemalung kenne ich: Wolken mit fetten Babys dazwischen, die Flügel haben, goldene Ränder. Mich aufzusetzen habe ich geschafft, ich schaue nach links. Ein Fenster mit bunten
Scheiben. Sie zeigen kein eindeutiges Motiv, aber ein ansprechendes Muster. Auf eine Art beruhigend, wäre da nicht dieses Gefühl. Über das steinerne Etwas, in dem ich mich offenbar befinde, sehe
ich mittlerweile. Jawohl: Da vorne ist der Pfarrer, er spricht Gebete. Er hat eine weisse Robe mit grünem, breitem Streifen in der Mitte, genauso wie ich es kenne. Beten werde ich, das wird
helfen und nach der Messe werde ich ihn fragen. Es wird eine simple Erklärung dafür geben und mir wird wieder alles einfallen. Sicher hatte Gott einen Plan, als er mich hierher schickte.
Interessant, offenbar waren die Bänke mal erneuert worden. Solches Holz habe ich noch nie gesehen. Sauber sieht es aus. Die Fresken in der Fensterumrandung dünken mich mitgenommen. Ausgebleicht.
Der Ablauf der Messe ist wie immer. Alles vertraut. Die Sitz- und Stehrituale, die Vorbereitung auf die Hostie. Ich weiss offenbar was ich zu glauben habe und wie Kirche funktioniert, aber wer
bin ich? Ich muss mir den Kopf gestoßen haben. Dagegen warum sitze ich nicht auf einer Bank, oder knie am Boden? Das Bild wird klarer. Ich befinde mich in einem Steinsarg. So ein Ding, wie sie
von wichtigen Kirchenmitgestaltern nach ihrem Ableben bewohnt werden. Für ein bisschen ewiges Leben werden sie dann in eine Seitenschiffsniesche gestellt. Warum wurde ich hier nicht weggejagt?
Das ist doch Blasphemie! Welche Menschen lassen mich hier sitzen? Ach ja, sicherlich haben sie mich noch nicht bemerkt. Ich lag ja bis eben. Zudem sind sie scheinbar im Gebet versunken. Eine
Predigt. Eigenartige Sprache. Ich muss bei einem anderen Dialekt gelandet sein. War ich schon mal hier? Kenne ich jemanden? Die Antlitze der Menschen sind ... Na ja, ungewöhnlich?: Die Männer
tragen entweder keine Bärte, oder haben sie getrimmt wie auf einer Malerei; auch ihre Haare sind geschnitten beziehungsweise wie die der Frauen zusammengenommen. Die Damen sind im Gesicht bemalt.
Niemand trägt Woll- oder Fellmäntel. Sie sind in bunten, teilweise glänzenden Stoff gehüllt. Meine Kehle wird trocken. Ich muss in ein fernes Reich katapultiert worden sein. Der Herzschlag wird
schnell, die Finger zittern, die Lippen ebenso. Von den alten Kreuzzügen haben die Leute erzählt. Dort im exotischen Land sollen farbenfrohe Tücher getragen werden. Die Damen wären ebenda dieweil
am Kopf vor den Sandstürmen geschützt, so gab der Dorfälteste preis. Es wird bizarr: Da kommt eine Frau mit Stangen an den Schuhen unter den Fersen, roten Lippen in der gleichen Farbe wie das
Schuhwerk zum Rednerpult. Was ist hier mit der Kirche los? Die Weiber haben die Pfarrer entmachtet? Sie legt zu dozieren los! Ein Weibsbild, das die Beine zeigt, die mit einem schwarzen Glanz
überzogen sind, Schmuck offen trägt, liest aus der Bibel? Die Patriarchen haben das Lesen verlernt? Wozu dann hierher begeben? Die Kirche wird es nicht mehr lange geben. Nach der Lesung erzählt
sie vom Jahr 2027, in dem wir leben. Ich schwitze. Wie komme ich in diese Epoche? Ich schreie.
„Holt mich hier raus.“
Keine Reaktion. Es bleibt mir null übrig, als lauter zu werden. Zurück in der Zeit, in der alles seine Ordnung hat erfordert es zu sein:
„Hiiiilfeeee!!!“
Niemand hört mich. Nichts. Etwas tut not zu unternehmen. Auf die Leute renne ich so schnell wie möglich zu. Mir ist die Messe jetzt egal. Von Panik bin ich erfüllt. Sie wurde dem Teufel
überlassen, diese heilige Veranstaltung! Nunmehr kann er mir helfen, wieder hier wegzukommen. Ich schrecke vor einem grossen Mädchen zurück. Es trägt bizarre Hosen, wie mittelalterliche
Beinkleidung. Es wirkt, als wäre es seinem Vater ebenbürtig. Ich stolpere. Gleich rapple ich mich erneut auf. Einem freundlichen Mann schlage ich mit der flachen Hand auf die Schulter. Wieder
mitnichten. Nichts wie weg!
die Türe bekomme ich nicht auf. Alle Seiteneingänge renne ich ab. Überall geschlossen. Ein Tor öffnet sich. Ich komme nicht hinaus, selbst als die Person, die
durchtritt, aus dem Weg ist. Meine Hände schaue ich an, die soeben verzweifelt versucht haben, die Klinke in ihnen zu behalten. Ich sehe sie nicht. Die Füsse treten gegen alle Ausgänge. Sie sind
ebenfalls unsichtbar. Es gibt eine Barriere. Ich bin nicht wahrnehmbar. Ein Geist.
Eine gefangene Seele in der Kirche. Für immer.
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