Maskenmafia

Sie ist konfus. Worum geht es ihr, was will sie bezwecken?

„Haben sie das alles geplant?“


„Nein, meine Liebe, Gelegenheit macht Diebe.“

„Sie geben zu kleptomanisch veranlagt zu sein?“

„Nein. Was heisst diebisch. Welch garstig Wort. Klagen die Leute denn die pharmazeutische Industrie an, weil sie daran arbeiten, eine Impfung zu entwickeln?“

„Nun ja, das wird gemacht.“

„Von machtlosen Personen. Die Medikamentenindustrie ist mächtig. Da kommt lange keiner dagegen an. Und was soll’s: Schliesslich lieben die meisten Menschen die Idee von der Chemie, Biochemie gerettet zu werden.“

„Ja, schon auch richtig. Das aber zu manipulieren?“

„Dieser Bericht ist genauso wenig manipuliert, wie die vielen Erforschungen der Pharmaindustrie. Sie favorisieren das männliche Testobjekt, sodass die Hälfte aller Menschen ein gewisses Risiko hat, mit falscher Dosierung konfrontiert zu werden. Ausserdem kommt es bei denen darauf an, wer die Studien finanziert. Niemand bedenkt dabei, dass sich die Pensionsversicherungen zu einem grossen Teil aus diesem Geschäftszweig finanzieren.“

„Und was fördern sie damit?“

„Alle Angestellten und deren Dynastien dieser Firma.“, gibt Frau Clara mit einem süffisanten Lächeln von sich.

«Was ist mit den Familien der nächsten und übernächsten Generation? Haben sie die Studien über die Müllberge gesehen? Die Mikropartikel der Kunststoffmasken, die gewaschen werden, erhöhen deren Dichte im Fluss. Die Einwegmasken lassen mehr Pflanzen- und Tierarten verschwinden.»

«Oh nein, nicht schon wieder diese Leier. Nun, da sie so schön herausgefunden haben, dass Studien unterschiedlich ausgelegt werden können… . Diese Grünen. Diese übelriechenden Bakterienverbreiterinnen. Sie manipulieren ihre Statistiken, wie es ihnen passt.»

Es will sich Ailuna nicht auf Glatteis begeben, zieht sich in ihre Gedanken zurück. Sie könnte ihren Job verlieren. Schliesslich ist die Mehrheit selbst dafür verantwortlich, was sie tut. Sie ärgert sich. Clara ist nicht nur eine Leugnerin der Erderwärmung, sie fördert die Verbreitung von Gegenthesen. Ailuna fühlt sich zunehmend in die Enge getrieben: Sie weiss, was Clara gemacht hat; dennoch: sie wird von ihrem Umfeld, das weiter weg war von Fakten, wie sie, die an der Quelle sass, zurechtgewiesen, gar angegriffen. Ailuna behält ihren Job, Clara kann jedoch ihr Konto damit füllen, dass sie eine Studie in Umlauf gebracht hat, die beweisen soll, dass ihre Masken, auf denen sie sonst sitzen geblieben wäre, die Welt sicherer machen.

Am nächsten Tag freut sich Ailuna, dass ihre Freundinnen noch diese sind. Sie trifft sie, eine Unternehmung, die rar geworden ist. Sie vermisst die Gespräche und Diskussionen. Sie hat künstlerischen, individuellen Mundschutz anfertigen lassen. Das Design wurde angepasst und auf einen natürlichen Stoff gedruckt, der bei mindestens 60 °C gewaschen werden kann, um den Hygieneanforderungen zu entsprechen. Stolz bietet sie den Damen die Masken an, lässt sie bei der Übergabe in der Originalverpackung, um den neuen potentiellen Besitzerinnen die Angst vor Kontamination zu nehmen. Die Erste schüttelt entsetzt den Kopf:

«Nein, ich bediene mich ausschliesslich dieser hier.» Dabei nimmt sie ihre Einwegmaske jener Studie vom Kinn, faltet sie und steckt sie zur Wiederverwendung in die Tasche.

Ailunas Augen weiten sich, sie ist sprachlos. Sie bietet einer anderen eine zweite an. Wieder wird mit erregtem Kopfschütteln geantwortet, währen die nächste in der Runde eine zerknitterte Einwegmaske vom linken Ohr in ihr Haar baumeln lässt:

«Hast du nicht den Artikel gelesen?»

Ailuna entgegnet nichts, in ihr schiessen die Szenen vom Vortag wie Billardkugeln durch den Kopf. Die Lady, die an der Treppe steht, nimmt die Hand vom Geländer und umfasst mit derselben den, vom Hörorgan hängenden Stoff, faltet ihn und steckt ihn zum benützten Taschentuch in die Hosentasche, während sie antwortet:

«Er bezieht sich auf eine Studie: Nur diese Maske schützt. Diese Stoffmasken helfen nichts.»

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