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Monsterspeisen

Schon beim Kauen wird mir flau im Magen. Nachtfalter. Ein Kribbeln, das sich unter dem Nabel über die Bauchdecke darüber, das Zwerchfell, das Dekolletee zur Kehle frisst. Dort zieht sich alles zusammen. Der Leib verkrampft sich. Der Hals öffnet sich, schliesst sich ruckartig. Die Organe tun sich schwer in der Entscheidungsfindung: Los werden, oder im Inneren behalten. Das Würgegeräusch geht im Hintergrundlärm von Jammerei und krächzender Musik unter. Der Geschmack driftet vom Geruch weit weg. Kein Vergleich. Es roch praktisch nach nichts. Beim Kauen hat es etwas Modriges, Verfaultes. Das Grau des Eigelbes ist ebenso wenig einladend, wie das durchsichtig-trübe Eiweiss. Das geleeartige Zeugs wabbelt im Mund und mischt sich mit der sandigen, staubtrockenen Konsistenz des Inneren des Eis. Die ersten tausendjährigen Enteneier meines erbärmlichen Daseins.

Ein weiteres Monster von Frankensteins Fabrik nähert sich. Langsam. Humpelnd. Stechender Blick. Fahl-weisse Haut. Das Blut rinnt ihm aus dem linken Mundwinkel. Die halblangen, verfilzten Haare sind anthrazit-perlmutfarben. Es grinst mich an, als es mit meinem verzweifelten Blick, der aus dem Kauen und Würgen resultiert, konfrontiert wird. Die Sehnerven schweifen ab zum Tisch. Dort vernehme ich eine blutrote Flüssigkeit, in der Augäpfel schwimmen.

Der Geruch von verbranntem Fleisch steigt mir in die Nase. Quälerei. Ich sehe in Richtung Toilettentüre, die ich hoffentlich erreiche, bevor es die Kreatur macht. Ich bin näher. Es ist zu schaffen. Nur ein Ziel habe ich: Mich dort entleeren. Jawohl. Ich komme ihm zuvor, reisse die Türe auf, diese Gestalt aus Mary Shellys Roman direkt hinter mir, bin gerettet.

Über die Ecken spannen sich Spinnennetze, davon hängen ihre Erbauerinnen in unterschiedlichen Grössen.

Ich kann nicht anders, als über die Szenerie draussen zu brüten: Skelette liegen neben fleischlosen Schädeln auf Tableaus. Daneben ist mit Kürbissen dekoriert. Käfer jagen die Tische entlang, sie sind ebenfalls zerkaut und geschluckt worden und kleine, grüne Einäugige liegen ausgestreckt da.

Der Geschmack von Magensäure ist aus meinem Mund verschwunden. Der Geruch von Urinstein scheint nun wie Chanels letzte Parfumkreation. Die Gefahr einer grossen Aufregung erweist sich erst mal als gebannt und ich verlasse langsam und ausgemergelt das Badezimmer. Eine Hexe kommt mir entgegen. Klassisch mit spitzem Hut, Warze auf der Nase, einem Besen in der Hand. Sie nickt und schaut mich drohend an.

Ich brauche frische Luft. Auf der Veranda lodert Feuer. Ein paar weitere Gäste sitzen dort. Ein Geist und ein Werwolf. Sie haben kleine Mumien auf den Tellern.

Die Luft von draussen tut gut: Der Duft von gefallenem Laub steigt in meine Nase. Auf der Stiege sind ausgehöhlte Kürbisse mit Kerzen bestückt, sodass sie bizarre Muster in den Schatten werfen. Der Magen beruhigt sich und die Würstchen im Teigmantel, die man mit Augen aus Eiweiss ausgestattet hatte, regen nun meinen Appetit an. Oder sollte ich lieber erst von den Wachteleiern probieren, die in der Suppe aus roten Rüben schwimmen? Aber für die verfaulte Hand, eine Teigtasche mit Mandeln für die Fingernägel, aus der Kirschmarmelade quillt, müsste schon Platz bleiben. Dazu die Geister aus Windbäckerei, schiessen durch meinen nunmehr wiederum entspannten Kopf. Offenbar hinterlassen diese fermentierten Eier keine bleibenden Geschmacksverwirrungen und ich kann mich wieder in die Party stürzen und die grünen, mit Wasabi gefärbten Finger probieren, deren Warzen aus Haselnüssen bestehen. Dazu würde ein Stück vom Kopf passen, dem man die Haut abgezogen hatte, um darunter den Parmaschinken hervorblitzen zu lassen. Das Ganze wird mit Zaubertrank, Sperma-Blut-Magensäuremischung aus Wodka, Sahne, Grenadine hinuntergespült. Mahlzeit.

 

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